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Da ist sie also nun Geschichte, unsere Tour durch Flandern und ähnlich wie die Profis bei der Flandernrundfahrt, hatten auch wir so die ein oder andere Hürde zu bewältigen, auch wenn die nicht sportlicher Natur waren, aber dazu mehr im Laufe des Berichts. Da Wil und ich keine große Lust hatten uns mit den Rädern durch das Ruhrgebiet zu quälen, haben wir uns gegen 5:00 Uhr morgens im Dortmunder Hauptbahnhof getroffen und die Reise mit dem Zug begonnen. Zu dieser Zeit sind Bahnhöfe zum Glück noch erträglich und außer den Sicherheitsbeamten und ein paar Morgenschichtlern war dort so gut wie niemand zugegen, also habe ich es mir auf der Bank gemütlich gemacht und auf meinen Reisepartner gewartet.


Mit unserer Ankunft auf dem Bahnsteig setzte dann Regen ein, der mit jedem gefahrenen Kilometer Richtung Roermond, unserem Startpunkt der Tour, zunahm und sich mit Ankunft dort zu einem ordentlichem Gewitter mit heftigstem Niederschlag gemausert hatte. Natürlich sinkt die Stimmung dann erst einmal ins bodenlose, da man ja nicht sicher ist ob sich das Wetter wieder beruhigen wird und eine Tour überhaupt möglich ist. 30 Minuten später war die Welt wieder in Ordnung, naja fast, denn mein Garmin konnte, oder wollte, ab nun die Tour nicht mehr berechnen. Na super, also voll "analog" mit Faltkarte, die Wil zum Glück mitgenommen hatte, die man andererseits aber auch in jedem Tourismusbüro nachträglich erwerben kann, ging es dann mit ein wenig Verspätung also endlich los. Kurze Zeit später hatten wir die Niederlande dann hinter uns gelassen und schon in den ersten belgischen Dörfern wurde man von ebenjenem Untergrund in Empfang genommen, für den die Radklassiker Belgiens so berühmt sind, Kasseien vom Feinsten!


Die auf 700x24C im Regen und du verstehst auf Anhieb warum die belgischen Eintagesklassiker so berühmt/berüchtigt sind, aber auch trocken sind die schon 'ne Hausnummer!


Kurze Zeit darauf wollte dann auch das Garmin wieder und man konnte sich wieder ein wenig auf die Umgebung, anstatt auf's Kartenmaterial konzentrieren und fand sogar Zeit mal ein Foto zu knipsen. Leider habe ich völlig vergessen wo sich nachstehende Kirche befindet.


Nicht nur das sich wenige Kilometer vor dem Tagesziel das Garmin auf ein Neues verabschiedete, nein, ich bin zusätzlich auch noch über ein Stück Metall gefahren, welches der Meinung war sich durch meinen Mantel bohren zu müssen. Kein Ding, Kai hatte uns mit ordentlich Schläuchen ausgestattet, welche sich im Nachhinein aber alles andere als flanderntauglich herausstellen sollten, ...


denn anscheinend mögen diese Flytubes extralight Teile kein Kopfsteinpflaster. Zumindest war der von mir montierte mit Ankunft in Rumst, unserem ersten Übernachtungsort, schon wieder fast platt. Das B&B in Rumst war sauber, schön eingerichtet und hatte Alles was man brauchte. Nur ein paar Meter weiter gab es mit dem Restaurant Hausnummer 95 eine mehr als exquisite  und damit natürlich nicht gerade preiswerte Möglichkeit seinen Hunger zu stillen. Mit guten Beinen, aber dennoch todmüde bin ich dann ins verdiente Koma gefallen, was wohl auch mit daran lag, das sich die einzige dort lebende Mücke Wil als Menu auserkoren hatte. Das dargereichte Frühstück am nächsten Morgen war perfekt und bot Alles was das Radfahrerherz begehrt. 


Nachdem ich dann zum zweiten Mal einen Schlauch in mein Hinterrad bugsiert hatte, ging es wieder auf die Strecke, aber hier hat uns das Garmin dann wirklich völlig im Stich gelassen, sodass wir eine völlig unnötige Schlaufe gefahren sind, die uns dazu gebracht in Dendermonde Nägel mit Köpfen zu machen und wir kurzerhand im dortigen Tourismusbüro eine Radwanderkarte erworben haben. Zusätzlich zur Karte habe ich mir noch einen vernünftigen Ersatzschlauch besorgt, da mein Vertrauen in die Lightdinger ziemlich erloschen war.

Dendermonde zeigt Flagge und jeder Radsportler kennt natürlich die gelbe Flagge mit dem Löwen!


Wie schon erwähnt, ab nun Nägel mit Köpfen!

Dazu gehörte das ich das Garmin erst gar nicht mehr einschaltete und wir uns direkt auf den Schelderadweg begaben, was uns nach dem ersten Tag, sowie dem Rumgeeiere von Rumst bis hierhin auf Radwegen die einem das Fürchten lehren, wie Urlaub im Urlaub vorkam. Komplett freie Fahrt auf meistens perfektem Asphalt entlang der Schelde, gemeinsam mit unzähligen anderen Rennradlern, was einen aber auch dazu verleitete die Pace ordentlich nach oben zu schrauben, sodass Wil irgendwann Probleme bekam und ich mir beim Blick in sein Gesicht nicht mehr sicher war ob er mich freundlich anlächelt, oder mir bitterbös die Zähne zeigt.

Irgendwo in der Nähe von Wetteren hat jemand einen Jumbojet aufs Dach geparkt.


In Marelbeke haben wir die Schelde dann wieder verlassen und vielleicht lag es an den nun historischen Wegen und Kasseien, aber Wil war von nun an wieder voll da. Es hat schon etwas Erhabenes, sich auf diesen doch so geschichtsträchtigen Passagen zu bewegen und leider kann auch hier das Foto nicht die Steigung erkennbar machen, aber sie ist vorhanden!


Auch auf diesen Paves habe ich nicht einmal gemerkt das sich meine Apidura Saddle Bag irgendwie aus der Ruhe bringen lässt.


Was auf den obigen beiden Bildern mehr oder weniger plan aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung doch schon als ordentlich ruppig, aber klar - es ist natürlich nicht der Wald von Arensberg!


Von den Kasseien direkt zu einem der wusste, wie man damit umzugehen hat. Wenn man schon durch Flandern fährt, sollte man sich im Voraus über die dortigen Denkmäler der flandrischen Radsportgeschichte informieren und zumindest mal eines davon besuchen. Wir haben uns für das zu Ehren von Lucien Buysse, dem Sieger der Tour de France 1926,  rausgesucht, welches sich in Wontergem befindet.

 


Wiederum kurz vor dem Tagesziel habe ich bemerkt das die Luft aus meinem Hinterrad langsam, aber sicher, dabei war sich zu verabschieden, aber dieses Mal hat es bis zum Ziel gereicht und so sind wir nach gut 160km im Zickzackkurs durch Ostflandern zwar erschöpft, aber glücklich in Izegem angekommen, wo wir nach dem Einchecken im B&B auch hier erst einmal ein örtliches Restaurant aufgesucht haben um die verbrannten Kalorien zu ersetzen. 

Tja, außer die Straßen Flanderns unter die Pneus zu nehmen war es auch unser Ziel das "Nationaal Wielermuseum" in Roeselare zu besuchen, aber das wird zur Zeit renoviert.  




Da ich erstens überhaupt keine Lust habe mich im Urlaub über irgendetwas aufzuregen worauf ich eh keinen Einfluss habe, wir uns zweitens in einer der radsporthistorisch bedeutendsten Gegenden der Welt aufhielten, wo ja fast jeder Meter Straße etwas museales an sich hat, und wir drittens uns nur gerade einmal knapp 40km von dem Monument des Radsports überhaupt befanden, war schnell klar was das Ziel sein würde - Das Velodrome von Roubaix!

Gesagt, getan - Also auf nach Roubaix!

Dummerweise hatten wir natürlich normale Kleidung an, da es von Izegem bis ins Museum nur wenige Kilometer sind und wir uns danach ja nur noch im Zug Richtung Heimat begeben wollten. So sind wir bis Menen, was sich direkt an der französischen Grenze befindet, in Jeans und T-Shirt gefahren und haben uns dann dort in einem Cafe schnell umgezogen um Roubaix  standesgemäß gekleidet zu erreichen. Der Hauptgrund lag natürlich an der herrschenden Hitze und der totalen Unbequemlichkeit von Jeanshosen beim Radfahren. Mit dem Queren der Landesgrenze fühlte man sich auf Anhieb wie daheim, so sehr ähnelt die Gegend um Roubaix dem Ruhrgebiet. Zumindest dem alten Pott, was in der gleichen Tradition des Bergbaus liegt, nur dass das Ruhrgebiet den Strukturwandel anscheinend weitaus besser gemeistert hat, denn was sich da teilweise vor seinen Augen auftut, lässt einen schon erschauern. Dann endlich das so ersehnte, wie auch klangvolle Ortseingangsschild von Roubaix, welches sich fast schüchtern wirkend unauffällig an einem Haus befindet.


Da wir von Norden kommen die Stadt erreichten, stand nun die komplette Durchfahrt der City an, so auch die Komplettquerung des "arabischen Viertes", wo gerade Markttag war und das deswegen komplett für den Autoverkehr gesperrt wurde. Wir durften die Absperrgitter allerdings netterweise passieren und sahen uns unversehens in einer anderen Welt wieder. Ich bin mir mehr als sicher, das Wil und ich in diesem Moment weit und breit die einzigen Westeuropäer waren, auf Rennrädern, im Schritttempo, in Vollmontur.Von diesem Szenario hätte ich nur zu gern ein Foto von einem der dortigen Balkone. Wie dem auch sei, wir haben dort nur in freundliche uns grüßende Gesichter geschaut und meine Nase war einer Geruchseuphonie ausgesetzt, die ihres Gleichen sucht. Irgendwann befindet man sich auf der Avenue Roger Salengro, jener so berühmten Allee kurz vor dem Ziel, wo die Profis über den kopfsteinbepflasterten Mittelteil müssen und die Sieger ihre kleinen Tafeln bekommen und spätestens ab hier hat mich dann die totale Gänsehaut erfasst. Noch einmal rechts abbiegen, durch das offene Tor vorbei an der Indoorbahn ...


dem altehrwürdigem Clubhaus der "Velo Club de Roubaix" ...


und man steht vor ihr

Die Radbahn von Roubaix!


Erst beim Betrachten des nachstehenden Fotos ist mir aufgefallen, das wir radtechnisch gesehen, in den Farben der Trikolore dort angereist sind. Was für ein schöner Zufall!

 

Natürlich liessen wir es uns nicht nehmen das heilige Geläuf mal zu befahren.

 

  

 

Mit einem Wahnsinnsgefühl im Bauch haben wir uns dann aufgemacht die letzten paar Kilometer der Tour unter die Pneus zu nehmen, um dann in Mouscron in den Zug zu steigen und leider Gottes wieder heimfahren zu müssen.

Da ich unbedingt irgendwann mal in das Wielermuseum will, bin ich am Überlegen diese Tour noch einmal komplett entlang der Schelde zu fahren. Das spart ungemein Zeit und Nerven, denn belgische Radwege sind für jemanden der das Münsterland gewohnt ist, mehr als gewöhnungsbedürftig. Einige davon sind problemlos befahrbar, aber viele sind gelinde gesagt Mist. Entweder bestehen sie aus nicht auf Stoß verlegten Betonplatten, oder sie sind mit Schotter übersät. Dazu kommt die Tatsache, das in vielen Ortschaften 70 km/h erlaubt ist, auch in kleinen Dörfern ohne Radweg und für das Land des Radsports, wie  Belgien sich bekanntlich  ja selbst gern sieht, fahren die Autofahrer da einen Stil, der jedem vernünftig denkendem Menschen das Blut gefrieren lässt. Selbst wenn die Gegenspur bis zum Horizont frei ist, wird gern im Zentimeterabstand überholt.

Ansonsten sind wir auf ein sehr freundliches und hilfsbereites Volk gestossen.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    wil (Montag, 10 August 2015 19:30)

    ja wirklich eine schöne tour und ein umfassender Bericht, Danke dafür.
    Was kann man noch hinzufügen?

    Das ununterbrochen strahlende Wetter nach dem Gewitter in Roermond bis zu unserer Rückfahrt von Moscron nahe Roubaix, und da wir eigentlich nur westwärts fuhren, bin ich jetzt linksseitig braungebrannt.

    Die wirklich sehr netten und hilfsbereiten Belgier erwähntest du ja schon, mir wird die Begegnung an der Tanke, in Merelbeke war es glaube ich, unvergessen bleiben.

    Und das wirklich vorzügliche B+B Herenhuis in Isegem, last not least.

    Alles in allem eine sehr gelungene Rennradtour mit Lust auf mehr...

    Grüße, wil

  • #2

    ph0t0ne (Dienstag, 11 August 2015 00:29)


    Jau,
    der Mensch an der Tanke war genial und den Satz:"Ik heb hier twee Duitse ..."
    werde ich auch nie vergessen :-)

    Die LF6-Route wäre ja auch mal was!
    www.groteroutepaden.be/en/route/98/lf-6-flanders-cycle-route.html

    Grüße retour,
    Rotsch